Das Neeracherried, die Grande Cariçaie, das Hochmoor von Rothenthurm, die Auen in der Rheinschlucht GR und die ar- tenreichen Trockenwiesen im Wallis haben eines gemein- sam: Sie stehen als Biotope von nationaler Bedeutung unter Schutz. Was wäre die Natur in der Schweiz ohne diese Na- turjuwelen? Ohne die über 6000 nationalen Biotope mit ih- ren nur 2,2 Prozent der Landesfläche wäre die Biodiversitäts- krise noch dramatischer als sie es schon ist. Dass unser Land seine wertvollsten Naturjuwelen nicht ganz zugrunde gehen liess, ist nicht etwa einem weitsichtigen Parlament zu ver- danken, sondern einer Volksinitiative. Damals in den 1980er- Jahren wurde viel gebaut und viel Natur zerstört. Nur der
Volksinitiative zum Schutz der Moore («Rothenthurm-Initiati- ve») ist es zu verdanken, dass die Flach- und Hochmoore, Auen, Trockenwiesen und Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung überhaupt geschützt wurden. Es ist ein kleiner, aber dennoch sehr wertvoller Rest der früher grossflächigen Ökosysteme. Erst nach Einreichung der Volksinitiative mach- ten sich Bundesrat und Parlament daran, das damals wenig konkrete Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) zu präzisie- ren – unter anderem mit der Sicherung der nationalen Biotope.
Jahrelange Verzögerungen
Jetzt braucht es einen nächsten grossen Schritt zugunsten der Schweizer Natur. Es ist ein Schritt, der eigentlich schon 2008 eingeläutet wurde: Das Parlament hatte eine Biodiversitäts- strategie in Auftrag gegeben. Als der Bundesrat 2012 den Auf- trag erfüllte, kündigte er an, dass die Gesetzesgrundlagen vor allem im Bereich der Ökologischen Infrastruktur mit deren Planungsinstrumenten und der finanziellen Förderung ange- passt werden sollen.
Doch danach folgten Verzögerungen und ein völlig unge- nügender Aktionsplan Biodiversität. Die ins Auge gefasste NHG-Revision verschwand in der Schublade. Gleichzeitig wer- den jedes Jahr weitere schutzwürdige Flächen beeinträchtigt und nehmen die Bestände vieler Arten ab. Es kamen fast keine neuen Schutzgebiete hinzu, und die Schweiz steht heute mit einem Schutzgebietsanteil von bloss zehn Prozent weit abge- schlagen am Schluss aller Länder Europas.
Mit der 2020 eingereichten Biodiversitätsinitiative von BirdLife Schweiz, Pro Natura, Schweizer Heimatschutz und Stiftung Landschaftsschutz scheint sich der Bundesrat wieder fernt, was für die Sicherung der Biodiversität in der Schweiz ei- gentlich nötig ist und was die Biodiversitätsinitiative in der Verfassung festschreiben will: dass Bund und Kantone die ef- fektiv erforderlichen Flächen, Instrumente und Mittel für die Biodiversität zur Verfügung stellen. Aber der Nationalrats- beschluss ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Biodiversitätspolitik